Bis heute ist die Anzahl der Frauen in der IT-Branche wesentlich geringer als die der Männer. In ¾ aller deutschen IT-Unternehmen beträgt die Anzahl der Frauen weniger als 25 %. Dabei sind Frauen die Begründerinnen dieser Branchen und haben die wichtigsten Grundsteine für ihre heutige Entwicklung gesetzt.
Seit Apple das erste IPhone herausgebracht hat, werden Produktpräsentationen wie Happenings gefeiert. Beinahe alle namenhaften Firmen setzen sich öffentlichkeitswirksam für eine diverse Unternehmenskultur ein, auf der Bühne ist man um ein ausgeglichenes Verhältnis aller Geschlechter bemüht. Vielfalt wird zur Markenbotschaft. Genau das scheint der Geist des Silicon-Valley zu sein. Eine moderne Zukunft, die alle einschließt. Doch die Realität im Publikum spricht auch im Herzen der Technologie-Industrie noch immer eine andere Sprache. Trotz dieses Bildes dominieren bis heute die Männer die Industrie, sowohl unter den Entwickler: innen, als auch auf den Führungsetagen. Frauen in der IT sind nach wie vor eine Seltenheit. In den führenden deutschen Unternehmen ist das Ungleichgewicht sogar noch größer.
Die Geschichte der Computerentwicklung ist eine, die durchaus weibliche Vorbilder kennt. Die Mathematikerin Ada Lovelace wird von nicht wenigen Historiker :innen als erste Programmiererin überhaupt betrachtet. Bereits 1843 arbeitete sie mit ihrem Kollegen Charles Babbage an einem Gerät, das zu den Vorläufern heutiger Computer gezählt werden darf. Oder aber die Physikerin Grace Hopper, die in den 50er Jahren essentielle Entwicklungsarbeit in der Informatik betrieb. Auch im Zweiten Weltkrieg arbeiteten viele Frauen in diesem Bereich und leisteten wertvolle Arbeit, ohne die die digitale Welt gar nicht vorstellbar wäre. Genau daher mag es verwundern, dass eben diese moderne Branche, wenn es um Gleichberechtigung geht, noch so viel aufzuholen hat. Dabei könnten mehr Frauen den dauerhaften Talentmangel, dem die Branche gegenübersteht, ausgleichen.
Es sollte hierbei jedoch beachtet werden, dass der geringere Frauenanteil in der IT-Branche kein Einzelfall ist. Ebenso lässt sich dieser in Bereichen wie Mathematik, Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften finden. Vor allem in der Führungsebene trifft man immer noch am häufigsten Männer. Lediglich 23 CEOs der 500 umsatzstärksten Firmen der Welt sind weiblich. Paradox, belegen doch Studien, dass Frauen zumindest genauso gut, wenn nicht noch bessere Führungskräfte sind. Die Harvard Business Review gab an, dass bei 19 Kategorien, die die Führungsqualitäten darstellten, Frauen in 17 von diesen besser abschnitten. Auch in Bereichen, die Frauen eher abgesprochen werden, wie Initiative oder Risikobereitschaft bei der Führung, konnten diese höhere Prozente als ihre männlichen Kollegen erzielen. Allerdings belegen gleichzeitig mehrere Studien, dass weibliche Führungskräfte nicht automatisch erfolgreicher sind. Was jedoch bewiesen werden kann, ist, dass Frauen anders führen. Und dabei ist dieser Führungsstil nicht unbedingt nachgiebiger oder weicher. Tatsächlich ist das Gegenteil eher der Fall. Bei vielen Männern konnte eher ein “Laissez-faire” Führungsstil festgestellt werden, während bei Frauen mehr Regeln und klare Anweisungen folgten.
Doch wird dieser aufgrund von verinnerlichten Stereotypen anders wahrgenommen. So existiert etwa immer noch ein Idealbild, wie eine Führungskraft aussehen soll. Dieses Idealbild ist laut Führungstheorien „der selbst aufopfernde, entschlossene Held“ oder der „charaktervolle, integere Vater“. Genau diese Vorstellungen vertragen sich allerdings nicht mit Frauen, insbesondere wenn sie versuchen, diesem Idealbild nachzueifern. So werden Charakterzüge, die bei Männern positiv bewertet wurden, plötzlich negativ aufgefasst, im Übrigen von beiden Geschlechtern gleich stark. Dementsprechend ist dieses kein männliches Problem, sondern ein gesellschaftliches.
Einen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings, so werden Frauen als Führungskräfte in männerdominierten Feldern tatsächlich eher akzeptiert als in anderen Bereichen. Konsequenterweise erfahren die wenigen weiblichen Führungskräfte in der IT wohl mehr Akzeptanz als in anderen Branchen.
Für Branchenexpert :innen liegen die Gründe für die vergleichsweise niedrige Anzahl von Frauen in der IT in einer komplexen Mischung aus bestimmten Faktoren. Auch wenn die gesellschaftliche Perspektive in Fragen der Gleichstellung in den vergangenen Jahren gewandelt hat, in unseren Kinderzimmern halten sich lange etablierte Formen der sozialen Prägung beharrlich.
Jungs werden ganz selbstverständlich bestärkt, mit technischem Spielzeug umzugehen, Mädchen dagegen bekommen Puppen, um die sie sich kümmern sollen. Genau da fängt schon eine Unterteilung an, welche durch farbliche Akzente nochmal unterstrichen wird. So werden die Grundlagen des Problems früh gelegt, in Kindergarten und Schule setzt sich die Kette fort. Lehrer :innen sind sich dessen oft gar nicht bewusst. Unter anderem konnte in einer Studie festgestellt werden, dass Mädchen im gemischten Matheunterricht sich weniger zutrauten, als wenn die Stunde ohne Jungs durchgeführt wurde.
In Deutschland mangelt es vor allem an Nachwuchsförderung, welche so wichtig wäre, um junge Mädchen für die IT zu begeistern. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt existiert einzig der „Girls Day“ als landesweite Initiative, um gezielt Mädchen an Themen wie Informatik und Coding heranzuführen und die Frauenquote in den entsprechenden Berufen zu erhöhen. Dabei sind viele junge Frauen schnell begeistert, wenn sie erst einmal mit der Computerentwicklung in Berührung gekommen sind. Die Branche wünscht sich daher schon lange ein viel stärkeres Engagement von politischer Seite.
Neben den gesellschaftlichen Strukturen wird auch in den Unternehmen selbst kaum Verantwortung übernommen. So gibt es bei nur wenigen Firmen eine :n Gleichberechtigungsbeauftragte :n, lediglich in 3% aller Firmen konnten diese :r gefunden werden.
Eben durch die gesellschaftlichen und strukturellen Hürden braucht es mehr Sichtbarkeit, wenn es um Rollenmodelle geht. Wie etwa Ex-Yahoo-Chefin Marissa Meyer oder Facebooks Co-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg, die auch öffentlich immer wieder für die Belange von Frauen eintreten und als Mütter erfolgreich an der Spitze eines Weltkonzerns stehen. So schrieb Sheryl Sandberg den Bestseller “Lean In”, welcher auch zu mehr Solidarität unter Frauen aufruft.
Noch mehr Gewicht haben jedoch nahbare Persönlichkeiten in der hiesigen Industrie. Frauen wie Fränzi Kühne, die einst ihr Jurastudium abbrach, um mit eigener Agentur landesweit Unternehmen in Fragen der Digitalisierung zu beraten. Mit gerade einmal 34 wurde sie vor einigen Jahren Aufsichtsrätin des Telekommunikationsunternehmens Freenet und damit die jüngste Frau, die ein solches Amt bis dahin innehatte.
Wie wichtig es ist, Mädchen und Frauen für die sogenannten MINT-Fächer und eine Karriere in der Informationstechnologie zu begeistern, lässt sich vielleicht am anschaulichsten im Bereich der Künstlichen Intelligenz verdeutlichen. Der Mangel an weiblicher Perspektive in der Entwicklung dieser, aber auch anderer hochinnovativer Technologien birgt die Gefahr, dass Ungleichheiten und Diskriminierung sich schließlich auch in Algorithmen verfestigten. So erleiden Frauen bei Autounfällen zu 47% öfter eine Verletzung, da der Dummy für Crashtests einem durchschnittlichen Mann nachempfunden ist. Genau das nicht Einkalkulieren von Frauen sorgt für solche Statistiken und das Weiterführen einer Ungleichbehandlung. Daher ist es wichtig, dass Systeme, die einmal der Gesellschaft im Allgemeinen dienen sollen, integrativ entwickelt werden.
Auch in vielen anderen Bereichen der IT-Branche kommt es zunehmend auf kommunikationsstarke Rollen an, denn agiles Arbeiten und progressive Projektmanagement-Methoden sind längst Standard in der Industrie. Soft Skills wie diplomatisches Gespür, Kreativität und Empathie sind heute wichtiger denn je, um in der Zusammenarbeit sowie Vermittlung zwischen Abteilungen oder mit Kunden, gute Ergebnisse zu erzielen. Diese Fähigkeiten werden vor allem bei Frauen festgestellt, für die sich daraus neue und interessante Positionen entwickeln können. Glaubt man den Erhebungen des Instituts der deutschen Wirtschaft, fehlen schon jetzt mehr als 200.000 Arbeitskräfte in den MINT-Fächern. Es geht also längst um mehr als soziales Engagement oder Imagepflege. Auf die weibliche Perspektive und Frauen in IT-Berufen zu verzichten, könnte in naher Zukunft für Unternehmen schnell zu einem existenziellen Risiko werden.
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Quellen: welt.de | bitkom.org | get-in-it.de | spiegel.de | faz.net | stern.de | lern-und-berufswelt.de | hbr.org