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Wie kognitive Hygiene unsere Karriere beeinflusst

19.01.2021 2021/01

Interview mit ARTS Organisationscoach Katja Hermann

Prof. Dr. Nico Rose zeigt in dieser Woche mit seinem Artikel - mental gesund sind wir nicht, wenn wir keine Krankheit haben. Die letzten beiden Wochen haben wir uns mit mentaler Gesundheit im Arbeitsalltag und im Home Office beschäftigt. Unsere Tipps und Tricks sind ein guter Anfang. Wir möchten in unserer Reihe zur kognitiven Hygiene aber auch unsere Experten zu Wort kommen lassen. Es erwarten uns verschiedene Blickwinkel auf das Thema. 

Wir starten mit Katja Herrmann. Sie ist unser Profi mit Herz. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich Karriereentwicklung. Als ausgebildeter systemischer Organisationscoach hat sie gelernt die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen noch fundierter zu ergründen und zu erkennen.

Hallo Katja, ein paar kurze Fragen zum Einstieg, damit dich die Leser ein Stück besser kennenlernen.

Wie war das bei dir? In deiner Kindheit / Jugendzeit gab es Gameboy oder Tablet?

Mein Bruder und ich hatten einen GameBoy (mit ca. 9 Jahren) und einen NES.

Walkman oder Mp3-Player?

Ich bin als Kind mit einem Kassettenrekorder (#BibiBlockbergrulez) in die technische Welt gestartet.

Draußen spielen oder vorm Computer sitzen?

Ich bin in einer dörflichen Kleinstadt groß geworden, in der jeder Jeden kennt, die Familie im Umkreis von 10 km zusammen wohnt und die Kinder von der Grundschule bis zum Abschluss zusammenhängen. :-) Es ergab sich einfach, rauszugehen, in den Wäldern Buden zu bauen (zum Ärger der Förster und Bauern) und später gemeinsam die ersten Feiern in den Garagen zu gestalten.

Danke, da konnte ich vieles wiedererkennen. Wir sprechen heute ja über kognitive Hygiene, was bedeutet für dich kognitive Hygiene?

Ich betrachte das Prinzip wie ein Glas mit Wasser. Wobei das Glas metaphorisch den Kopf (also die kognitive Leistungsfähigkeit) darstellt und das Wasser externe Impulse symbolisiert. Wenn das Glas randvoll mit Wasser ist, z.B. durch Multitasking, Schichtarbeit oder andere Stressoren, passt auch kein weiterer Tropfen mehr ins Glas. Es liegt also an jedem selbst immer so viel Wasser im Glas zu haben, dass neues nachgefüllt und altes abgekippt werden kann. Jeder trägt die Verantwortung für die eigene kognitive Entlastung oder Balance.

Ein schönes Bild mit dem Wasserglas. Was tun, wenn man in diesem Glas in einem Strudel aus negativen Gedanken festhängt?

Ich rate von Grübelei ab. Weiteres Nachdenken über solche Themen schafft keine Entlastung. Das einfachste Mittel ist Unterbrechung. Durch lautes Aussprechen von “Stopp” oder das Einschalten des Lichts (falls das Nachts im Bett passiert), aufstehen, rausgehen,  sind die einfachsten und praktikabelsten Mittel. Anschließend hilft Ablenkung, um nicht innerhalb von zehn Minuten zurückzufallen und erstmal Abstand zum Gedankenstrudel zu schaffen. Langfristig hilft dennoch nur das Reflektieren und die professionelle Auseinandersetzung mit der Wurzel des Problems. Dafür empfehle ich Coachingsitzungen oder professionelle Begleitung durch eine Therapie, sollte dieses Muster öfter oder über einen langen Zeitraum auftreten oder aufgrund von tiefer liegenden Erfahrungen in der eigenen Biografie liegen.

Was glaubst du braucht es dann aktuell, um mental gesund zu bleiben?

Das sind für mich drei wesentliche Punkte.

  1. Das Wahrnehmen (Erfühlen) und Ernstnehmen (Anpacken und nicht als “nicht wichtig” abtun) von Stressfaktoren. 
  2. Die definierten Themen beleuchten und Lösungsoptionen erarbeiten.
  3. Hilfe dazuholen, wenn man nicht voran kommt oder “kein gutes Bauchgefühl” hat.

Hast du dazu auch direkt umsetzbare, alltagstauglichen Tipps, die du deinen Klienten zur kognitiven Hygiene, z.B. im Home Office mitgibst?

Ein großes Thema ist dabei das Selbstmanagement. Jeder Mensch kann für sich und seine Leistungsfähigkeit die Verantwortung übernehmen. Konkrete Tipps:

Kenne ich meine Ziele, weiß ich wofür ich meine Aktivitäten durchführe?

Eine Hinterfragung hilft, um auf den performanten Weg zum Ziel zurückzufinden. Ziele zu kennen ist wichtig, um sich zu motivieren. Hilfestellung bei Unklarheiten geben Teamleiter oder Vorgesetzte.

Bin ich mir der Prozesse sicher?

Ist das Ziel klar, ist der Fahrplan dahin das Mittel, was es zu gestalten gilt. Prozesse geben dazu den Leitfaden oder Rahmen, den man nutzen kann, um sicher und schnell zu agieren. Diese lauern oft informell und im Hintergrund, ein Gerüst ist aber immer vorhanden. Hilfestellung bei Unklarheiten geben auch hier immer Teamleiter oder Vorgesetzte, aber auch Kollegen auf gleicher Hierarchieebene, da diese oft durch Berufserfahrung den effektivsten Weg zur Zielerreichung kennen.

Kann ich eigene Ressourcen effektiv einsetzen? Brauche ich Hilfe oder Unterstützung?

Ziele und Prozesse wirken zuerst oft “erdrückend” oder “zu groß” definiert. Es lohnt sich, Zeit zu investieren und diese “aufzurollen”. Es sind oft viele kleine Schritte (in der Prozessbeschreibung), die wieder Sicherheit schaffen und das “große Ganze” realistischer darstellen. Dafür ist auch die Reflektion über eigene Stärken und Schwächen wichtig. Wenn man kein Zahlenmensch ist, macht es keinen Sinn, Budgetierungen zu prüfen oder Controlling Themen zu übernehmen. Andere Kollegen können da sicher helfen. Andererseits ist man vielleicht sehr extrovertiert und übernimmt gern mal einen Kundenempfang. Auch das entlastet mental und gibt im Team das Signal, “Ich benötige Hilfe von dir. Dafür helfe ich dir wiederum gern bei Projekten, die mir gut liegen.”

Daneben hilft außerdem eine Struktur – es lohnt sich, jeden Tag strukturiert zu beginnen.

Tipps: 

1) Feste Termine blocken und einhalten, eine entsprechende Vorbereitung kann diese abkürzen, wodurch man wiederum Zeit gewinnt.

2) Pausen setzen und einhalten, Pausen sind geschenkte Zeit, die man für mentale Hygiene nutzen kann: Achtsamkeitsübungen sind sehr erfrischende und aktivierende Hilfsmittel, die kaum Zeit beanspruchen.

3) Vernetzung aktivieren, online Meetingräume zum Mittagessen oder einen Kaffee-Break Out Room sind gängige Mittel um die Kollegen und deren aktuelle Projekte nicht aus den Augen zu verlieren.

und immer wieder Reflektion. Einfache Fragen sind, z.B. 

  1. Ist das, was ich tue, wertvoll für mich?
  2. Erreiche ich mit meinem Vorgehen das Ziel?
  3. Bin ich effektiv mit dem, was ich tue? 
  4. Kann mir jemand helfen, wenn ich nicht weiterkomme?
Katja Herrmann ist systemischer Organisationscoach von ARTS
Katja Hermann berichtet über kognitive Hygiene im im Hinblick auf die Karriere.
Katja Hermann berichtet über kognitive Hygiene im im Hinblick auf die Karriere.

Du hast schon einzelne Dinge angeschnitten, aber was meinst du, können Unternehmen für ihre Mitarbeiter hinsichtlich der mentalen Gesundheit tun?

Führungskräfte können ihren Mitarbeitern durch Reflektionstermine eine Übersicht über die eigene Performance geben. Hintergrund ist die Fragestellung: Ist das, was du tust, auch wirksam und sinnvoll für die Zielerreichung. Das setzt natürlich voraus, dass Ziele vorhanden und bekannt sind.

Die Bereitstellung von Räumen zum “stillen Arbeiten” ist effektiv, aber nicht immer praktikabel. Alternativ sind Home Office Regelungen adäquate Mittel. Für produzierende Unternehmen sind Mitarbeitergespräche zum Herausfiltern der Themen, die Kollegen bedrücken die einfachsten Tools. Eine enge Vernetzung mit den Menschen, die für die Leistungserbringung notwendig sind, setzt auch eine menschliche Komponente für das Miteinander voraus.

Vielleicht zum Abschluss noch einmal kurz zu dir. Wie schaffst du es denn, neue Energie aufzutanken?

Ich habe mir im privaten Bereich mit meinem Partner und meinem Kater einen Rückzugsort geschaffen, der mich auffängt und mir hilft meine Sorgen und Nöte zu bearbeiten und mir Energie schenkt, wenn große Projekte anstehen. Wir haben den Deal, dass wir Feierabend haben, wenn wir heimkommen. Die Smartphones sind ausgeschalten und operative berufliche Themen sind tabu. Dafür haben wir mit Kollegen Zeit, wenn wir “im Dienst sind”. Emotionale Geschichten, die tagsüber vorgefallen sind, werden aber selbstverständlich oft besprochen und von einem anderen Blickwinkel beleuchtet. Das hilft mir, aus meinem Glas etwas Wasser abzukippen, um für frische Impulse offen zu bleiben.

Zu mentaler Gesundheit gehört ja auch eine gewisse Form von Genießen. Was ist für dich Genuss und wie kann man ihn lernen?

Wenn ich etwas mit großer Freude tue, wenn es mich erfüllt und ich dabei an nichts anderes denken will, dann verspüre ich Genuss. Zum Beispiel beim Kochen mit meinem Partner.

Meiner Meinung nach “lernt” man Genuss durch die Erkenntnis, was einen erfüllt. Ich würde es eher als ein Empfinden als ein bewusstes Erlernen beschreiben. Jeder Mensch weiß am besten, was er mag und was ihm Freude bereitet. Und was er demnach genießt.

Und wie gehst du selbst mit Problemen um?

Ich bespreche Themen, die mich bedrücken, mit meinem Partner. Sein Blickwinkel ist die Ergänzung zu meinem. Demnach gibt es Überschneidungen und Abweichungen aber weniger blinde Flecken. 

Noch eine Frage zum Schluss, was sind Wünsche in Bezug auf die kognitive Hygiene deiner Klienten?

Ich wünsche mir für meine Klienten mehr Resilienz in stressigen Situationen. Externe Stressoren lassen uns hin und wieder unfokussiert reagieren und das Schöne verlieren wir aus den Augen. Das Glas schwappt dann förmlich mit Wasser über.  

Ein kurzes aus-der-Situation-treten, durchatmen und hinterfragen: “ Was passiert hier gerade?” hilft, den Weg zurück zu sich selbst zu finden.

Vielen herzlichen Dank für diese interessanten Einblicke und Tipps. Nächste Woche gehen wir es sportlich an. Wir freuen uns auf die Tipps von unserem Sporttherapeuten Daniel Nehring.

Eine Frage noch zum Schluss: Wie ist heute Ihr Wasserstand im Glas?

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