Im Volksmund heißt es: Man lernt nie aus.
Die Frage, die sich daran anschließt, lautet dann allerdings: Wo soll ich anfangen?
Denn die Sache mit dem Lernen ist gar nicht so einfach. Das gilt heute noch genauso wie damals, als wir vor Vokabelheften saßen und versuchten, die korrekte Konjugation von Verben irgendwie zu verinnerlichen.
Dabei stehen uns heute alle Möglichkeiten zur Verfügung, die die Welt der Didaktik zu bieten hat. Vielleicht nutzen Sie sie ja zum Teil selbst. Wenn Sie heute eine Sprache lernen, dann vielleicht eher mit Duolingo oder Babbel, statt mit dem Vokabelheft. Aber warum eigentlich? Einer der Gründe trägt sicher den klangvollen Namen: Microlearning.
Denn wer heute freiwillig etwas in der eigenen Freizeit lernt, macht das meist nicht acht Stunden täglich in einem VHS-Kurs. Lieber lädt man sich eine App auf das Smartphone oder Tablet und nutzt die freien und Wartezeiten, die man ohnehin hat.
7 Minuten auf den nächsten Bus warten? Da kann man auch schnell nochmal eine kurze Übung in der Sprachlern-App einlegen. 20 Minuten Fahrt zur Arbeit mit der S-Bahn? Perfekt für eines der Sachbücher, welche seit einiger Zeit in kompakten Zusammenfassungen ebenfalls per App abrufbar sind. Und es geht sogar noch kürzer. Einige Lernapps lassen sich so einstellen, dass man den Bildschirm des Handys erst dann entsperren kann, wenn man eine Lernaufgabe gelöst hat. Diese dauern häufig nur wenige Sekunden.
So schnell geht Wissensvermittlung via Mikrolernen. In kleinen, gut zu verarbeitenden Häppchen. Doch im Berufskontext scheint dieser Trend bisher nur wenig voranzuschreiten. Oder welche Learning-App ist auf Ihrem Diensthandy installiert?
Dabei sehen viele Unternehmen Microlearning aktuell bereits als Chance. So ging aus der diesjährigen “eLearning Journal Benchmarking Studie 2021” in Zusammenarbeit mit dem E-Learning Anbieter youknow hervor, dass acht von zehn Unternehmen bereits Microlearning-Elemente nutzen oder planen, diese einzusetzen. Der Hauptgrund hierfür liegt in der bereits beschriebenen Kürze der Aufgaben, welche sich so optimal in den manchmal stressigen Arbeitsalltag integrieren lassen. Denn vermutlich kennen Sie es auch: Die Motivation, sich einen Arbeitstag zu nehmen, um sich in einen Schulungsraum zu setzen und im Frontalunterricht mitzuschreiben ist in den meisten Fällen eher gering.
Stellen Sie sich also mal vor: Statt einem Tag pro Quartal 8 Stunden im Seminar zu sitzen, könnten Sie auch jeden Arbeitstag zu einem beliebigen Zeitpunkt 7 Minuten investieren und hätten den gleichen Lernumfang absolviert. Dadurch, dass man sich jeden Tag aufs Neue mit dem Thema beschäftigte, wäre der Inhalt vermutlich sogar noch besser verinnerlicht, als durch das herkömmliche Vorgehen. Microlearning Beispiele sind Formate wie Lernapps, Infografiken, digitale Karteikarten und interaktive Elemente.
Ob micro oder mobile, digitales oder analoges Lernen: Wissensvermittlung funktioniert am besten, wenn nicht nur einzelne Bausteine an Lernende ausgesteuert werden, sondern diese in Konzepte eingearbeitet sind – oder noch besser: andersherum Konzepte erarbeitet werden, in denen Microlearning als Methode angewendet wird.
Dies kann gelingen, wenn man sich zunächst einmal verdeutlicht, welches Ziel hinter dem Lernen steht – was also vermittelt werden soll. Hierfür kann beispielsweise eine Übersicht erstellt werden, die klar macht, was wofür gelernt werden sollte, ob Wiederholungen stattfinden müssen und welche Besonderheiten bei diesem Lernziel zu beachten sind - beispielsweise Nachweispflichten oder die Anwesenheit von hierfür befähigtem Lehrpersonal.
Steht diese Übersicht, kann entschieden werden: Welcher Inhalt sollte analog vermittelt werden? An welcher Stelle bietet sich eine digitale Möglichkeit an und wo kann Microlearning das Mittel der Wahl sein? Welche Lerneinheiten kann man zerlegen und welche bleiben besser eine Blockveranstaltung? Natürlich gibt es auch hierfür Dienstleister, welche eine entsprechende Expertise sowohl in der Konzeption als auch in der Umsetzung haben. Denn nicht selten steht nach der Entscheidung, wie gelernt werden soll die Frage, ob intern oder extern geschult wird – also Make or Buy. Vor allem im digitalen Umfeld existiert eine Vielzahl an Anbietern, die individuelle Lösungen erstellen und bereits vorgefertigte Lernpakete lizenzieren.
Inhalte gibt es genug. Denn im Mittelpunkt des Lernens stehen mittlerweile nicht mehr nur Fachwissen und Unterweisungen. Vor allem Soft Skills und Selbstmanagement-Kompetenzen werden zunehmend wichtiger im Arbeitsalltag und von den Mitarbeitenden auch als entsprechend bedeutsam erachtet. Wer hier unterstützt, verschafft sich als Arbeitgeber womöglich einen Vorsprung, mit Gewinnern auf beiden Seiten. Denn beim Thema Lernen geht es nicht nur um Befähigung.
Vor allem kurze digitale Einheiten eignen sich optimal dafür, eine Sensibilität für Themen wie Resilienz, Stressmanagement und Achtsamkeit zu vermitteln. Hier können regelmäßige Übungen und Anregungen ein Anstoß sein, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen und sich somit den Arbeitsalltag positiver zu gestalten. Gerade in dynamischen Zeiten, wie wir sie im Moment erleben und auch zukünftig erleben werden.
Dabei sollte das Lernen nicht zur lästigen Pflicht werden, mit Einheiten, durch die sich die Kolleginnen und Kollegen vor der Arbeit “noch mal eben” durchklicken. Viel mehr kann gerade das Microlearning ein Angebot des Arbeitgebers sein, sich individuell und persönlich weiterzuentwickeln und im Team darüber ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen und gemeinsam voranzukommen. Dies stärkt zudem die Teambindung in der sonst so losgelösten remote Arbeitswelt.
Learning muss hierfür nicht einmal im Unternehmen institutionalisiert oder die Teilnahme vertraglich vorgeschrieben sein. Vor allem zu Soft-Skill-Themen existieren so viele Angebote – warum nicht einfach eines davon den Mitarbeitenden zur freiwilligen Nutzung zur Verfügung stellen, so wie den Kaffee in der Küche, die Mitgliedschaft im Fitnessstudio oder die Massage am Arbeitsplatz.
Wer hier Zeit und Geld investiert, macht selten etwas falsch und braucht in den meisten Fällen nicht einmal eine lange Vorlaufzeit. Wenn Sie zum Beispiel das nächste Mal in der Kaffeeküche stehen und warten, dass ihr Tee fertig ist: Warum nicht die Zeit nutzen und noch mal eben etwas Neues lernen? Sie haben gesehen: 7 Minuten sind dafür optimal.