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Work-Life-Blending: Erfolgsgeschichte oder Wunschtraum?

03.06.2019 Employee Journey

Ein neues Buzz Word in diesem Zusammenhang ist Work-Life-Blending. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Job und Freizeit. Wird die Trennung der beiden Lebensbereiche also zunehmend aufgehoben? Mit diesem Thema beschäftigen sich im folgenden Interview zwei Experten in diesem Bereich:  

Aileen Kreibich ist Head of Recruitment Consulting bei ARTS und Ansprechpartnerin für alle HR Themen. Bereits vor ihrer Zeit bei ARTS zertifizierte sie sich im betrieblichen Gesundheitsmanagement und konzeptionierte verschiedene BGM Modelle.

Daniel Nehring ist Gründer und Inhaber von SPRISE. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, betriebliche Gesundheitsförderung mittels ganzheitlicher Konzepte in Unternehmen zu etablieren. Sein Schlüssel zum Erfolg ist die Verbindung von Sport-Coaching, Consulting und Events. ARTS ist für Ihn der perfekte Partner, um innovative Konzepte umzusetzen.

Im Gespräch setzen sich die beiden Experten mit den Begrifflichkeiten des Work-Life-Blending und der Work-Life-Balance auseinander, sprechen über die Vor- und Nachteile und die Gründe für die zunehmende Integration und Ausbreitung von Work-Life-Blending.

Kurzer Überblick: was ist Work-Life-Balance und was ist Work-Life-Blending?

Daniel Nehring: Work-Life-Balance beschreibt einen Zustand, bei dem Arbeits- und Privatleben im Einklang stehen und ein gesundes Gleichgewicht bilden. Bis dato wurde das überwiegend so verstanden, dass man seine Arbeitsstunden und -leistung erbringt und außerhalb der Arbeit in den vollständigen Freizeitmodus wechselt. Das Work-Life-Blending hingegen beschreibt das geräuschlose Verschmelzen von Job und Freizeit. Es gibt keine klare Abgrenzung mehr zwischen beruflichen und privaten Tätigkeiten. 

Wenn Work-Life-Blending im Trend ist, ist das Konzept der Work-Life-Balance gescheitert?

Aileen Kreibich: Meines Erachtens nach ist Work-Life-Balance als Konzept nicht gescheitert. Es war eher ein Prozessschritt, um die Aufmerksamkeit von Unternehmen auf dieses Thema zu lenken. Offensichtlich ist es einigen Unternehmen jedoch nicht gelungen, sich den Bedürfnissen der Mitarbeiter anzupassen oder eine einheitliche Definition des Begriffes zu finden, die es bedarf, um in der Umsetzung erfolgreich zu sein.

Daniel Nehring: Das stimmt. Arbeitgeber und -nehmer müssen sich darüber einig sein, wie die Ausgestaltung des Arbeitsalltages aussehen soll, damit die Zusammenarbeit erfolgreich funktioniert. Gerade bei der Umsetzung des Work-Life-Blending ist eine klare Kommunikation notwendig. Wenn die Führungskraft Wert darauf legt, dass das Team 8,5 Stunden am Stück verfügbar ist oder der Arbeitnehmer selbst die klare Trennung von Job und Freizeit bevorzugt, wird dieses System nicht zielführend sein. Hier spielt das Thema Work-Life-Balance eine gewichtige Rolle und ist definitiv nicht gescheitert. Die Ausgestaltung hingegen ist sehr individuell.

Aileen Kreibich: Das Konzept Work-Life-Balance im alten Verständnis ist in meinen Augen nicht praktikabel. Das Konzept sieht einen Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit sowie Erholung vor. Diese beiden Aspekte stehen sich gegenüber. Dennoch sind meiner Meinung nach, beide Bereiche nicht so klar abgrenzbar, da man sich auch im Privaten u.U. mit arbeitsrelevanten Themen beschäftigt oder sich weiterbildet.

Daniel Nehring: Work-Life-Balance lässt eben viel Interpretationsspielraum. Das war so in der Vergangenheit und es ist nach wie vor so. Ich glaube, der eine oder andere muss es heutzutage anders definieren, als er es vorher getan hat. Idee hinter diesem Konzept ist, die Balance zwischen dem Arbeitsalltag und dem Privaten zu finden und ich denke, das sollte auch zukünftig das Ziel für jeden Einzelnen sein. Es gab ja nie eine Vorgabe wie Work-Life-Balance funktionieren soll. Es hieß nur, versucht für euch einen Ausgleich zu finden, in der Form, wie es für euch selbst am besten ist. Das Blending beschreibt wirklich mehr das Verwaschen zwischen den beiden Bereichen. Und trotzdem muss man auch in diesem Konzept eine gesunde Balance finden. Jeder muss für sich sein Optimum finden.

Ermöglicht Work-Life-Balance im klassischen Sinne mehr Erholung und ist ein permanenter Wechsel zwischen Arbeit und Privatem gesund?

Aileen Kreibich: Beim Blending spielt die Selbstdisziplin und -organisation eine wichtige Rolle und man sollte die Ausgleichsthematik nicht ausblenden. Aber es optimiert unter Umständen die Produktivität des Einzelnen, da er zu den Zeiten arbeiten kann, wo seine Leistungsfähigkeit am höchsten ist. Ich glaube nicht, dass Work-Life-Blending einen negativen Einfluss auf das Wohlbefinden hat, weil es im Endeffekt nur eine Verschiebung der effektiven Arbeitszeiten ist und ich mir trotzdem meine Ausgleichsphasen schaffe.

Balance vs. Blending: zwei Gegensätze?

Aileen Kreibich: In der Form wie wir gerade darüber sprechen, sind es keine Gegensätze, sondern zwei Ansätze, die einander bedingen. Balance ist Bestandteil des Blendings. Die allgemeingültigen Definitionen machen deutlich, dass Blending auch nur funktionieren kann, wenn die Balance zwischen Arbeit und Freizeit eingehalten wird.

Warum verschmelzen Privat- und Arbeitsleben immer mehr?

Aileen Kreibich: Wenn man für den Job brennt und sich mit seinen Aufgaben so identifiziert, dass man in seiner eigentlich privaten Zeit nach Themen recherchiert und sich über aktuelle Trends und Innovationen informiert, dann passiert das automatisch. Zukünftige Generationen suchen nach sinnstiftender Arbeit und wollen nicht nur Abarbeiten, Geld verdienen und heimgehen. Sie wollen einen Mehrwert erzeugen und Freude an ihrer Arbeit haben. Daher wird Privates und Arbeit zukünftig sicher noch mehr verschmelzen. Denn wenn man liebt was man tut, ist es keine Last auch über die „normalen“ Arbeitszeiten hinaus, etwas zu tun.

Daniel Nehring: Für den Arbeitnehmer bieten sich Möglichkeiten, private Sachen im Arbeitsalltag zu integrieren und sich anders zu organisieren. Das schafft mehr Flexibilität und befreit vom Nachmittags- beziehungsweise Feierabendstress. Früh sind Arzttermine deutlich leichter und schneller zu bekommen, als nachmittags.Ein weiterer Aspekt ist die Internationalisierung. Geschäftspartner sind mittlerweile weltweit verteilt und die Zeitverschiebung stellt eine Herausforderung dar, auf die man flexibel reagieren können sollte. Dazu gehört, sich so zu organisieren, dass man am frühen Morgen mit seinen internationalen Kollegen skypen kann und den Freizeitausgleich zu einem anderen Zeitpunkt schafft. 

Aileen Kreibich: Ein Punkt, der bei ARTS schon praktiziert wird, ist die Flexibilität von Bewerbungsgesprächen. Unsere Recruiter legen sich Interviewtermine in die frühen Morgen- und zeitigeren Abendstunden, um maximal flexibel auf die Bedürfnisse der Bewerber einzugehen. Die Gespräche können dann auch im Home Office via Telefon oder Skype stattfinden.

Welche Faktoren begünstigen das Verschwimmen der Grenzen zwischen Job und Freizeit?

Aileen Kreibich: Ganz klar auch der digitale Wandel. Man hat auf seinen privaten digitalen Endgeräten Apps, die die Unternehmens-ERP-Software unterstützen. Es ist dadurch sehr unproblematisch schnell einen Blick ins System oder seine Emails zu werfen. Auch das Privathandy wird immer mehr zu Dienstzwecken genutzt und ermöglicht Arbeitgebern und Kollegen eine schnelle Nachfrage auch außerhalb der „normalen“ Arbeitszeit. Zudem fördert die individuelle Einstellung eines Jeden das Work-Life-Blending.

Welche Chancen und Risiken entstehen durch Work-Life-Blending für Arbeitnehmer?

Aileen Kreibich: Arbeitnehmer können private Themen in Ihrem Arbeitsalltag integrieren und sich dadurch halbe oder sogar ganze Urlaubstage sparen. Zudem haben sie die Option, zu den Zeiten zu arbeiten, wo sie ihre höchste Produktivität haben.

Daniel Nehring: Es ist auch eine Möglichkeit alles unter deinen Hut zu bekommen, ohne etwas zurückstellen zu müssen. Eine familienfreundliche Variante. Es hat natürlich einen gewissen Organisations-Aufwand. Auch wenn man vielleicht nicht durchgängig erreichbar ist, hat man ab einem bestimmen Zeitpunkt immer die Möglichkeit zu reagieren, wovon ja letztlich auch Kollegen und Arbeitgeber profitieren. Ein Risiko sehe ich darin, dass manche Menschen nicht in der Lage sind, sich auf einen Bereich zu konzentrieren und daher nicht entspannt abarbeiten können. Dann leiden letztlich Privat- und Arbeitsleben. Das hätte dann die Selbstausbeutung zur Folge bzw. dass man nie zu einem Ende kommt.

Aileen Kreibich: Selbstdisziplin, Selbstorganisation. Jeder muss schauen ob er selbst im Blending eine Chance für sich sieht oder das eher als risikohaft einschätzt. Jeder muss Work-Life-Balance auch für sich selbst definieren und daraus ermitteln, welches Arbeitsmodell das beste für ihn ist. Im besten Fall unterstützt dieses dann auch der Arbeitgeber. Viele bevorzugen dennoch das Modell „Arbeiten – Feierabend!“ und es sollte jedem freistehen, seine bevorzugte Variante zu wählen.

Was bedeutet Work-Life-Blending für Arbeitgeber?

Aileen Kreibich: Viele Arbeitgeber sehen es als positiv, ihre Mitarbeiter in dringenden Fällen zu erreichen. Das gilt ja ebenso für die Kollegen untereinander. Manche Themen fallen außerhalb der klassischen Büroöffnungszeiten an und bedürfen einer schnellen Klärung, um keine wertvolle Zeit zu verlieren. Nicht zu unterschätzen ist auch das Gefühl, welches Arbeitnehmer haben, wenn sie mehr Eigenverantwortung und einen Rahmen, in dem sie sich frei entfalten können, erhalten. Eine steigende Motivation, eigene und Unternehmensziele zu erreichen sowie eine deutliche Leistungssteigerung dürften relativ schnell bemerkbar sein. Denn überlässt man seinem Mitarbeiter die Wahl der Arbeitszeit, wird er zu 99% den Zeitraum wählen, in welchem er sich am produktivsten einschätzt.Wichtig ist, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter nicht in bestehende Systeme reinpressen, sondern herausfinden, in welchem System sie ihr Potential am besten entfalten können und wo die Motivation am höchsten ist. Dann hat man nicht nur 100% Leistung, sondern auch einen glücklichen loyalen Arbeitnehmer.

Daniel Nehring: Zusätzlich gewinnen Projekte an Geschwindigkeit, wenn Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten flexibel eintakten können. Dann sind spät abends stattfindende Meetings kein Problem, weil privat anfallende Dinge vormittags geregelt werden. Natürlich auch immer abhängig von der individuellen Situation der beteiligten Personen. Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer in der Lage ist, sich selbst zu organisieren und nicht völlig untergeht im Rahmen der Freiheiten und Möglichkeiten. Es ist auch eine Möglichkeit der Wertschätzung des Arbeitnehmers, indem man ihm gewisse Freiheiten im Rahmen der Arbeitszeit gewährt. Immer unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer dieses Vertrauen ebenfalls wertschätzt und seine Arbeit vollständig erbringt. Work Life Blending setzt eben voraus, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern dahingehend vertraut. Hier wird die Zeit zeigen, ob nicht doch noch Systeme zur Zeiterfassung installiert werden. Gerade auch in Hinblick auf das Urteil des EuGHs. Wichtig in diesem Kontext ist es, dass Arbeitgeber dennoch nicht die 24/7-Verfügbarkeit ihrer Mitarbeiter erwarten, sondern auch deren Privatleben und ihren Erholungsraum respektieren. Denn letztlich leistet nur der, der nicht ausgebrannt ist und keinem Erwartungsdruck unterliegt. 

Wie kann Work-Life-Blending gesteuert werden, damit der Arbeitsschutz gewährleistet ist?

Aileen Kreibich: Zeiterfassungssysteme sind vermutlich die beste Kontrollmöglichkeit, damit Mitarbeiter sich nicht überlasten. Leider sind die gesetzlichen Vorschriften zu Arbeitssicherheit und -schutz aktuell sehr starr festgeschrieben und wurden bereits vor vielen Jahrzehnten festgelegt. Ruhepausen von 10-11h, wie darin vorgeschrieben, sind in Anlehnung an moderne Arbeitsmodelle auch nicht mehr zeitgemäß.

Daniel Nehring: Definitiv. Denn diese Regelung setzt voraus, dass davor 8-9 Stunden am Stück gearbeitet wurde. Und wenn man dann doch nur 4-5 Stunden aktiv war, muss das natürlich ins Verhältnis gesetzt werden. Die alten Arbeitszeitordnungen stammen ja teilweise noch aus dem frühen 20. Jahrhundert, als die Menschen ganz anders gearbeitet haben als heute. Da sind gesetzliche Anpassungen längst überfällig. Statt langer Pausen sollten lieber zwischendrin knapp zehn-minütige Power-Pausen gemacht werden und manch einer bevorzugt es eben, seine Emails abends auf der Couch abzuarbeiten als früh 7 Uhr im Büro. Auch das Freizeitverhalten hat sich geändert. Man baut seine Freizeit nicht mehr um 8 Stunden Arbeit. Die Arbeit wird um die Freizeit herum gebaut und das mit großem Erfolg. Ausgeglichene und zufriedene Fachkräfte, voll motiviert und bereit, volle Leistung zu geben.

Aileen Kreibich: Ich denke, es bedarf viel Aufklärung dazu und ich als Führungskraft sehe es auch als meine Aufgabe, darauf zu achten und den Work Load bei den Kollegen zu erfahren, um entsprechend reagieren zu können. Denn der Umgang mit Stress ist heutzutage eigentlich nicht mehr arbeits- sondern eher personenbezogen. Freizeitstress ist ja auch nicht zu unterschätzen, wenn man seine Hobbies und Freundschaften zeitlich im Kalender eintakten muss. Man könnte auch von starren Gesetzlichkeiten wegkommen und sagen, für 40h Arbeit benötigt der Arbeitnehmer insgesamt so und so viele Ausgleichsstunden.

Daniel Nehring: Schwieriger wird es beim Thema Arbeitsplatzergonomie in diesem Konzept, da Arbeitgeber nicht bestimmen können, wie Tisch und Stuhl zum Beispiel im Home Office auszusehen haben. Damit ist es absolut notwendig, seine Mitarbeiter ausreichend zu schulen, um eine Sensibilität für gesundes Arbeiten zu schaffen.

Was ist eure persönliche Meinung zum Work-Life-Blending? Mogelpackung oder Success Story?

Aileen Kreibich: Ich für mich persönlich finde, es ist keine Mogelpackung. Ich sehe mehr Chancen als Risiken und es ist eine hervorragende Möglichkeit, seinen Arbeitsalltag zielgerichteter zu steuern und dadurch das Gefühl zu gewinnen, ihn selbst zu gestalten und nicht gesteuert zu werden. Natürlich funktioniert es nicht in jeder Branche. In produzierenden Betrieben oder im sozialen Bereich sind solche flexiblen Modelle eher nicht umsetzbar.

Daniel Nehring: Jeder muss für sich sein Work-Life-Balance definieren und herausfinden, was brauche ich, um volle Leistung erbringen zu können. Für mich ist Work-Life-Blending modernes Arbeiten und es wird sich in vielen Bereichen integrieren, da wo eine Umsetzung möglich ist. Es ermöglicht ein selbständiges Dasein im Angestelltenverhältnis, mit klarem Auftrag und Entfaltungsmöglichkeiten und mit allen notwendigen technischen Ressourcen. Ganz klar eine Erfolgsgeschichte.

Fazit

Work-Life-Balance ist nach wie vor ein bedeutendes, aber sehr persönliches Thema. Welches Arbeitsmodell dabei bevorzugt wird, entscheiden Arbeitgeber und Arbeitnehmer individuell je nach Produkt oder Dienstleistung, Strategie und Kultur im Unternehmen. Nicht jedes Tätigkeitsfeld erlaubt eine Arbeitszeitgestaltung im Sinne des Work-Life-Blending. Die Umstellung von Arbeitsmodellen erfordert eine ausgeprägte und offene Kommunikation, um alle Beteiligten abzuholen und mitzunehmen. Jeder sollte sich mit dem Arbeitsmodell identifizieren können und nicht in starre Systeme hineingepresst werden. Unabhängig ob Work-Life-Blending oder Work-Life-Balance: im Mittelpunkt stehen individuelle Interessen und Möglichkeiten, die, wenn sie richtig ermittelt und gefördert werden, nicht nur den Arbeitnehmer, sondern auch das Unternehmen erfolgreich voranbringen. Richtig praktiziert, kann Work-Life-Blending eine Erfolgsgeschichte werden.

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