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Prozessberatung - Aber nicht nach Schema F!

21.04.2021 2022/08

Viele Unternehmen entscheiden sich dafür, externe Berater ins Boot zu holen. Denn der Blick von außen hilft oftmals, um Prozesse in ein ganz neues Licht zu rücken und Optimierungspotentiale aufzudecken. So kam ich als HR Development Consultant zu unserem Kunden in der Automobilzulieferindustrie.

Für mich selbst sind Produktionsbetriebe schon immer spannend. Zu beobachten, wie aus Einzelteilen ein komplexes Bauteil oder gar ein ganzes Auto oder ähnliches wird, ist für mich ein Kunstwerk moderner Ingenieursarbeit. Gleichzeitig geben die Produktionsmitarbeiter jeden Tag ihr Bestes, damit am Ende ein fertiges Produkt entsteht. Dieses Zusammenspiel fasziniert mich. Ich erinnere mich gerne an verschiedene Werksbesichtigungen, bei denen die Roboterarme ihre wiederkehrenden Choreografien aufführten, um eine Schweißnaht zu setzen oder ein Teil in die vorgesehene Position zu rücken.

Unser Kunde ist ein traditionsreicher Zulieferer für die Automobilindustrie. Am Standort in Sachsen werden seit 1992 Fahrzeug-Scharniere, Türfeststeller und Sonderprodukte wie Ölpumpen und Aluminiumbauteile für Automotive gefertigt. Zum erweiterten Kompetenzfeld gehören neben dem Prototyping auch die Kleinserienfertigung. Neben Tradition wird bei diesem Kunden auch Innovationskraft großgeschrieben und so liegt ein großer Fokus auf der Herstellung stufenloser Scharniere im Automobilbereich sowie auf der Entwicklung von Scharnieren mit integrierten Sicherheitssystemen, die insbesondere in Notfallsituationen ihren Mehrwert aufzeigen. Ende 2016 wurde die Produktionsstruktur durch ein Werk in China erweitert. Größter Kunde des Unternehmens ist Daimler.

Die Herausforderung: Prozessoptimierung

Unser Kunde hatte in den vergangenen Jahren verschiedene Eigentümer und mehrfache Wechsel der Gesellschaftsform. Zuletzt lagen die gesamten Kompetenzen und ein großer Teil der Aufgaben zentral bei dem übergeordneten Konzern. Durch einen erneuten Eigentümerwechsel wurde das Unternehmen wieder zur GmbH, sodass die gesamten ausgelagerten Aufgaben wieder eingegliedert und selbst übernommen werden mussten.

Da Beauftragungen im Automobilsektor nur unter Erfüllung spezifischer Zertifizierungen erfolgen, musste sich die Gesellschaft zeitnah in dieser neuen Konstellation zertifizieren lassen. Die bestehenden Prozessbeschreibungen wurden dabei zur Hilfe genommen und auf Grund verschiedener Faktoren zum Teil aus den Konzernprozessen 1:1 übernommen.

Die nach Zertifizierungskriterien beschriebenen Produktions- und Ablaufprozesse sowie Verantwortlichkeiten stellten eine formelle Realität dar. In der Praxis spiegelten sich die Herausforderungen in unklaren Verantwortlichkeiten und nicht darstellbaren Prozessabläufen wider. Zudem erhielten Bereiche im Unternehmen Aufgaben, die originär nicht in diesen verortet werden sollten. Dies führte wiederum an einigen Stellen zu Überlastungen einzelner Strukturen und Beteiligter. Die Offenlegung dieser Themen war ein erster Schritt zur Sicherstellung von Klarheit, Verantwortungsbewusstsein und Struktur.

Mein Auftrag

Im ersten Schritt ging es um eine Verantwortlichkeitsmatrix, die deutlich darstellt, welche Person in welchem Prozess involviert ist. Tiefergehend sollte diese Klarheit auch für einzelne Prozessschritte entstehen. Dabei wurden auch die Rollen der beteiligten Person geklärt. Dadurch wird beispielsweise offensichtlich, ob die Person in einem Prozessschritt Verantwortung trägt oder eine unterstützende Aufgabe übernimmt.

In Abstimmung mit der Führungsebene empfahl ich die Anwendung des RASIC*-Modells und entwickelte anschließend Blue Prints, die allgemeingültig in allen Prozessen eingesetzt werden können. Zunächst erarbeiteten wir ein Modell anhand der bestehenden Prozess- und Ablaufbeschreibungen, welche sich anschließend durch ausführliche Gespräche mit den Abteilungsleitern und Prozessverantwortlichen im erweiterten Führungskreis zur gelebten Praxis ergänzten. Zusammengefasst ergab sich daraus ein Bild der aktuellen Situation sowie ein aussagekräftiger Überblick über die beschriebenen vs. gelebten Prozesse.

Die RASIC-Methode wird auch unter dem Begriff RAM geführt („Responsibility Assignment Matrix“). Die einzelnen Buchstaben stehen für gesonderte Rollen bzw. Verantwortlichkeiten in einem Prozessschritt oder einer Teilaufgabe. Zur Verdeutlichung bildet man dies in einer Matrix ab, bei der linksseitig die einzelnen Schritte stehen und in der Rollen/Beteiligte in der Kopfzeile aufgeführt werden.

RASIC

R - Responsible (Wer macht eine Aufgabe?)

A - Approve (Wer trifft die Entscheidung? / Wer autorisiert?)

S - Supporting (Wer unterstützt die Erledigung der Aufgabe?)

I - Informed (Wer muss über das Ergebnis informiert werden?)

C - Consulted (Wer muss vor einer Entscheidung konsultiert werden?)

Anschließend stellte ich in einer ersten Ergebnispräsentation den Blue Print zum RASIC-Modell vor. Daraus abgeleitet, konnte ich erste Optimierungsvorschläge machen und zusätzlich aufgedeckte Zwischentöne auf Organisations- und Führungsebene weitergeben.

Individualität für das beste Ergebnis

Für die Arbeit an neuen Prozessverantwortlichkeiten war es notwendig, ein gemeinsames Verständnis für die jeweiligen Bestandteile des RASIC-Modells zu erarbeiten. Dabei konnte das Modell auch individuell angepasst werden. Gemeinsam trafen die Führungskräfte die Entscheidung, dass es das C in der aktuellen Betrachtung für ihr Unternehmen, bei der weiteren Bearbeitung nicht benötigte. Nachfolgend bearbeiteten wir in gemeinsamer Runde die Kernprozesse und ordneten jedem Prozessschritt und den darin beteiligten Personen eine Rolle zu.

Im Ergebnis ging es schließlich darum, die Interessen aller Prozessverantwortlichen unter einen Hut zu bekommen. Dabei hatte ich mit den Ansprechpartnern aus allen Abteilungen zu tun und konnte mir so ein umfassendes Bild des Kunden machen. 

Fazit: Erfahrung vereint mit neuen Ideen

Durch mein  Studium konnte ich hier die beiden Felder der Organisationsentwicklung und des  Personalbereiches erneut praktisch verbinden. Im Zusammenspiel mit den auftretenden Prozessen in Organisationen, den informellen und formellen Strukturen auf allen Ebenen, ergibt sich für mich ein einzigartiges Bild des Kunden. Genau so einzigartig, wie jeder Kunde ist, sehe ich auch meine Arbeit als HR Development Consultant. Die Inspiration kann aus bereits erfolgreich angewandten Methoden herrühren. Mein Ziel ist es immer, diese um individuelle Aspekte, zugeschnitten auf den Bedarf unserer Kunden, zu erweitern.

Das Faszinierende für mich ist, dass ein  RASIC-Modell grundlegend in jeder Branche und bei jedem Unternehmen zur Anwendung kommen kann. Dabei spielt es auch keine Rolle, wie groß das Unternehmen ist.  Es gibt auch andere hilfreiche Methoden, die vor allem bei agilen Arbeitsformen oder in flexiblen Strukturen Vorteile bieten. Hier spielt das Thema Individualität wieder eine große und wichtige Rolle, dem stellen wir uns jederzeit gern.

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