Mobbing am Arbeitsplatz kommt auch in Zeiten von New Work, Mental Health, Vertrauensarbeitszeiten und Mitgestaltung der Mitarbeitenden leider nach wie vor in vielen deutschen Unternehmen vor. “Mobbing bezeichnet einen Prozess der systematischen Ausgrenzung und Erniedrigung eines anderen Menschen, die von einer oder mehreren Personen betrieben werden. Diese feindseligen Handlungen geschehen mit einer gewissen Regelmäßigkeit [...].” (Stangl, 2022)
Leider sind noch immer 1.8 Mio deutsche Angestellte davon betroffen, wobei die Dunkelziffer sicher weitaus höher liegt. Oftmals wird darüber noch immer hinweggeschaut, und die Führungskräfte sehen es nicht als ihre Aufgabe, sich des Themas anzunehmen. Aber allein wirtschaftlich betrachtet entsteht so ein volkswirtschaftlicher Schaden von 15 bis 25 Milliarden Euro.
Allein die oben genannten Fakten sollten für Unternehmen Grund genug sein, gegen Diskriminierungen, Beleidigungen und Erniedrigungen vorzugehen.
Nehmen wir mal an, bei Ihnen tritt ein Fall von Mobbing am Arbeitsplatz auf. Wer soll sich nun darum kümmern? Man könnte meinen, dass es alleinige Aufgabe der Führungskräfte ist, Mobbing zu bekämpfen. Allerdings konnte festgestellt werden, dass Führungskräfte in 50 % der Fälle sogar selbst beteiligt sind; bei 37 % sind sie sogar der/die alleinige Täter:in. Sich also auf die Führungskraft allein zu verlassen, kann negative Folgen mit sich bringen, insbesondere wenn nicht geklärt ist, von wem das Mobbing ausgeht. Demzufolge ist es ebenso die Aufgabe der Personalabteilung und der Unternehmensführung, für das Thema sensibilisiert zu sein. Im Falle dessen, dass tatsächlich ein Mitarbeitender von der Führungskraft gemobbt wird, sind HR und Unternehmensführung die letzte Anlaufstelle und können die Situation bereinigen.
Doch wie erkenne ich als (unbeteiligte) Führungskraft, dass ein Mitarbeitender betroffen ist? Menschen, die von Mobbing am Arbeitsplatz betroffen sind, weisen eine Reihe an Merkmalen und Symptomen auf. Angefangen bei Konzentrationsschwächen, die ein Teil der Betroffenen erleben, bis zu Fehlern, die ggf. gemacht werden, die vorher noch nicht aufgetreten sind. Betroffene ziehen sich teilweise in Teamsitzungen zurück oder nehmen auch nicht mehr an Teamevents teil, aus der Angst heraus, dort wieder Mobbing zu erleben. Generell ziehen sich Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz aus dem Arbeitsalltag zurück und wirken in sich gekehrt, auch um nicht aufzufallen oder gar hervorzustechen. Im schlimmsten Fall erfolgt eine Kündigung aus eigenem Antrieb, die für die Führungskraft scheinbar grundlos aussieht.
Immer noch sind sich viele Teamleitende unsicher, wie sie mit solch einer Situation umgehen sollen, schließlich gleicht kein Fall dem anderen. Doch mit einem sachlichen, aber empathischen Vorgehen kann man nichts falsch machen. Sie sollten nicht vergessen, unter welchem emotionalen Druck die betroffenen Personen stehen. Nicht nur das, oftmals sind die Opfer auch sehr stark verunsichert und wissen gar nicht mehr, wem sie sich anvertrauen sollen. Wegzusehen wäre an der Stelle übrigens der größte Fehler. Am besten sprechen Sie die Person unter vier Augen an, fragen sie nach ihrem aktuellen Befinden und schildern Ihre Wahrnehmung. Vermeiden Sie im ersten Schritt das Wort Mobbing, da Sie sich erst einen Überblick über die tatsächliche Situation verschaffen sollten. Am Ende wissen Sie nicht genau, was passiert ist, und vor allem, wer involviert ist. Hören Sie dem Mitarbeitenden genau zu, zeigen Sie durch Fragen und Zwischenanmerkungen Ihr aufrichtiges Interesse und erhalten so ein ganzheitliches Bild. An dieser Stelle ist es wichtig, das Opfer nicht zu zwingen, den Namen des/der Täter:innen preiszugeben. Einerseits durch den Druck, den Sie damit auf das Opfer ausüben, andererseits aufgrund der Angst, die oftmals vor den Peinigern besteht. Es empfiehlt sich zudem, dem Opfer bei Mobbing am Arbeitsplatz näherzubringen, alle Maßnahmen des Täters aufzuschreiben und zu dokumentieren. Damit ist es leichter nachzuvollziehen, was genau passiert ist und wie gegebenenfalls Konsequenzen für den/die Täter:innen aussehen könnten.
Machen Sie sich klar, dass manche Personen möglicherweise jahrelange Mobbing-Erfahrungen aus der Schule oder vorhergehenden Jobs mit sich bringen; die emotionale Verletzlichkeit ist in solchen Fällen auch dann hoch, wenn der geschilderte Vorfall für Außenstehende auf den ersten Blick wenig dramatisch wirkt. Es ist wichtig, dass der:die Betroffene sich von Ihnen in seinen:ihren Gefühlen ernst genommen fühlt - bitte sehen Sie daher im ersten Moment von Relativierungen ab.
Wenn Sie eine:n “Täter:in” vermuten, der für das Mobbing am Arbeitsplatz verantwortlich ist, können Sie ein Vier-Augen-Gespräch führen, ohne auf die betroffene Person einzugehen oder dies als Anlass des Gespräches zu erklären. Je nach Einschätzung zeigen Sie arbeitsrechtliche Konsequenzen auf und stellen klar, dass solch ein Verhalten nicht geduldet wird. Mit Unterstützung der Personalabteilung können Sie auch nach vorheriger Absprache beide Personen in einem Gespräch zusammenbringen und offen über die Situation sprechen, um die Wichtigkeit und auch Verbindlichkeit für die gemeinsame Zusammenarbeit zu definieren.
Allerdings gibt es auch einen anderen Lösungsansatz, nämlich die Konfrontation mit dem Team. In diesem Fall wird die Situation im Team angesprochen, ohne Namen zu nennen. Mithilfe dieser Maßnahme können Sie ein Bewusstsein für die Thematik schaffen und auch Ihre Meinung und den Umgang zu dem Thema klar formulieren.
Wie bei jedem anderen Mitarbeitergespräch gilt auch hier das Credo der Nachhaltigkeit - setzen Sie sich regelmäßig mit den betroffenen Mitarbeitenden zusammen und vergewissern sich, dass Beleidigungen, Einschüchterungen und Erniedrigungen gestoppt sind.
Ihre Mitarbeitenden und ein sich ergänzendes Team, sowohl fachlich als auch persönlich, sind Ihr höchstes Gut als Führungskraft. Um das sicherzustellen bzw. zu erhalten, ist ein proaktiver Umgang mit dem Thema unabdingbar.
Einer der klassischen Gründe für Mobbing am Arbeitsplatz ist Neid der Kolleg:innen. Weist ein Mitarbeitender besonders gute Leistungen auf und wird auch dementsprechend von der Chefetage gelobt, kann der ein oder andere Mitarbeitende neidisch werden. Oftmals entsteht aus Neid auch das Gefühl, unfair behandelt zu werden und dass der/die andere Kolleg :in bevorzugt wird. Im schlimmsten Fall ist der- oder diejenige sogar noch neu.
Ein anderer Grund für Mobbing kann auch Machtmissbrauch sein. In diesem Fall geht das Mobbing von der Führungskraft aus, oder diese ist zumindest beteiligt. Dahinter steht meist das Erhöhen des eigenen Selbstwertgefühls, indem das des Opfers zerstört wird. Dafür braucht es von Täterseite eine bestimmte Persönlichkeit. Auch kann ein Grund für Mobbing am Arbeitsplatz mangelnde oder misslungene Kommunikation sein. Hier können Fehlinformationen verbreitet werden, sodass am Ende auch nicht mehr klar festgestellt werden kann, wie das Mobbing angefangen hat. Möglicherweise fühlte sich der/die spätere Täter:in durch eine Handlung des Opfers beleidigt, wodurch diese Situation ins Rollen kam. Ein weiterer Anlass für Mobbing bei der Arbeit können unterschiedliche Sozialstellungen sein. So können Religion, Geschlecht, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, aber auch Behinderungen schon der Grund dafür sein, dass ein Mitarbeitender Mobbing am Arbeitsplatz erfährt. Allerdings benötigt es in diesem Falle mehr als nur ein klärendes Gespräch mit dem Täter, sondern die gesamte Unternehmenskultur sollte überdacht werden. Im Allgemeinen sollte die Unternehmenskultur bei Mobbingvorfällen im Unternehmen auf den Prüfstand gestellt werden, denn diese hat offensichtlich den Raum für solche Vorgänge gegeben; bei Mobbing gibt es nicht nur Täter:innen und Opfer, sondern auch vermeintlich Unbeteiligte, die das Verhalten dulden oder sogar über gemeine Bemerkungen mitlachen. Wenn diese Zusammenhänge nicht aufgegriffen werden, können Sie zwar die aktuelle Situation lösen, der Nährboden für erneute Mobbing-Vorfälle besteht jedoch weiterhin.
Mobbing ist ein komplexes Thema, insbesondere wenn es am Arbeitsplatz stattfindet. Die Folgen dessen können nicht nur eine schlechtere Performance von Mitarbeitenden sein, sondern auch der Verlust von Arbeitskräften sowie eine mögliche schlechte Bewertung als Arbeitgebender. Das Wichtigste im Umgang mit Mobbing am Arbeitsplatz ist, den Opfern zuzuhören und den Täter:innen eindeutige Konsequenzen aufzuzeigen. Wenn Sie Unterstützung für sich, Ihre Führungskräfte oder Ihre Personalabteilung benötigen, können Sie sich gern mit uns austauschen. Besonders dann, wenn nicht nur Einzelne beteiligt oder betroffen sind, kann beispielsweise der Einsatz von Business Coaching zur Selbstreflexion oder eine Mediation relevant sein, wenn arbeitsrechtliche Konsequenzen nicht in Frage kommen. Ein Anti-Diskriminierungs-Training kann Mitarbeitende und Führungskräfte für Mikro-Aggressionen, wie sie beim Mobbing oft vorkommen, sensibilisieren und ihnen einfache Gegenmaßnahmen an die Hand geben.
Quellen: Mobbing-beenden.de | ver.di | DUZ.de | lexikon.stangl.eu