Im Traum gehe ich in ein großes Bürogebäude. Die Einrichtung ist vorhanden, aber wo sind die ganzen Leute? Im ersten Stock treffe ich auf eine jüngere Kollegin mit einem Riesenstapel Unterlagen unter dem Arm. “Wo sind denn alle?” will ich wissen. “Keine Zeit!” ruft sie mir zu und eilt hektisch weiter. Ich biege um eine Ecke, aus einem Konferenzraum dringen Stimmen. Dort sitzen zehn- bis zwölfjährige Kinder: zwei streiten, eines kämpft mit dem Laptop, ein weiteres Kind sieht verträumt aus dem Fenster. “Generation Alpha” lese ich auf einem Schild. “Wo sind denn die Erwachsenen?” frage ich die Kids. Gestresst schauen sie mich an: “Na, die sind doch alle in Rente!”
Uff, was für ein Albtraum! Bis die Generation Alpha das Management übernimmt, wird es zwar noch ein paar Jahre dauern (und bestimmt reifen bis dahin noch ihre Konfliktlösungsfähigkeiten). Aber wenn Träume uns einen Blick in unterbewusste Sorgen verschaffen, dann sollten wir bereits jetzt dringend über strategische Personalplanung sprechen.
Wer nach Stichworten wie “Strategie Personalplanung” oder “Workforce Planning” sucht, erhält viele wertvolle Hinweise auf Tools, die den Vorgang der konkreten Planung vereinfachen sollen. Die eigentliche Personalbedarfsplanung hingegen versucht einen Blick in die Glaskugel: Wie viele Mitarbeitende mit welchen Kompetenzen werden wir in Zukunft brauchen? Welche Jobs wird es zukünftig in unserem Unternehmen geben?
Die strategische Personalplanung ist eine der Schlüsselkomponenten eines erfolgreichen Personalmanagements: Mit einer gut durchdachten Personalplanungsstrategie können Fragen wie die Personalbeschaffung effektiver gehandhabt und gleichzeitig der Gesamterfolg des Unternehmens sichergestellt werden. Eine strategische Personalplanung hilft daher dabei, die richtige Personalzusammensetzung zu bestimmen und die aktuellen und künftigen Herausforderungen des Unternehmens zu berücksichtigen; es geht also um die Vorhersage des zukünftigen Personalbedarfs. Indem Unternehmen kommende Veränderungen im Personalbestand vorhersehen und sich entsprechend anpassen, können sie ihre Personalressourcen besser verwalten und die mit der Personalbeschaffung verbundenen Kosten senken, ein effektives Arbeitsumfeld schaffen und die Belegschaft auf die Erreichung der Unternehmensziele ausrichten.
Das Ziel ist es, mit strategischer Personalplanung den Unternehmenserfolg sicherzustellen und nebenbei auch das Recruiting zu entlasten: Wer heute junge Leute ausbildet, muss in drei Jahren weniger hektisch nach Fachkräften suchen.
Wer in die Lehrbücher schaut, findet ausführliche Anleitungen zur Personalbedarfsermittlung. Als Schritte zu einer erfolgreichen Personalbedarfsplanung werden empfohlen: 1. Altersstruktur analysieren, 2. Planungshorizont festlegen, 3. Unternehmensstrategie und Aufgabenfelder definieren, 4. Aufgabenpakete nach Qualifikationen gruppieren, 5. Bruttopersonalbedarf ermitteln, 6. Ab- und Zugänge für den Planungshorizont herausarbeiten, 7. Nettopersonalbedarf ermitteln und 8. resultierende Maßnahmen aufstellen.
So weit, so klassisch. Wenn wir den Albtraum zu Beginn des Textes als Fallstudie nehmen wollen, hat hier offensichtlich die Analyse der Altersstruktur versagt bzw. wurde nicht rechtzeitig unternommen. Wussten Sie, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre knapp 5 Mio. Arbeitnehmer:innen in Rente gehen? Bis zum Jahr 2035 sind es sogar knapp 13 Mio. Personen aus den geburtenstarken Jahrgängen, die auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Wie sieht es eigentlich bei Ihnen im Unternehmen aus?
Angesichts dieser Zahlen lohnt es sich, den Planungshorizont Ihrer Strategie zur Personalplanung nicht nur auf die nächsten 3-5 Jahre auszurichten, sondern auch auf die nächsten 10-12 Jahre zu schauen. (Es sei denn, Sie blicken ebenfalls dem wohlverdienten Ruhestand entgegen - dann könnten Sie dieses Problem gemeinerweise Ihrer Nachfolgerin überlassen…)
Wenn wir Schritt 6. “Ab- und Zugänge für den Planungshorizont” volkswirtschaftlich betrachten, hoffen wir natürlich darauf, dass die jüngeren Generationen mit viel Elan in die großen Fußstapfen treten, die die sogenannten Babyboomer hinterlassen. Auch wenn noch nicht alle Mitglieder der Generation Alpha bereits geboren sind, zeichnet sich allerdings eine empfindliche Lücke von etwa 4,5 Millionen Menschen in der Anzahl der Erwerbstätigen ab - das entspricht etwa 10 % der gesamten Erwerbsbevölkerung! Will heißen: die nachwachsenden Generationen können rein zahlenmäßig die Rentner:innen nicht ersetzen. Unsere Nettopersonalbedarfsermittlung wird also nicht nur sprachlich ein Wortungetüm, sondern wird die Personalbeschaffung vor erhebliche Schwierigkeiten stellen.
Natürlich gibt es auch in den Lehrbüchern bei der Personalbedarfsplanung eine Reihe von Schwierigkeiten, die berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören das Handeln unter Ungewissheit, die Berücksichtigung vieler Bedingungen wie Gesetze, Tarife und die Art der Organisation, gegenseitige Abhängigkeiten von Unternehmen (beispielsweise als Zulieferer und Kunden), Personalengpässe sowie eine schlechte Planbarkeit von personalpolitischen Maßnahmen. Weiter lesen wir, dass eine strategische Personalplanung Unternehmen dabei hilft, Daten zu sammeln, zu analysieren und zu simulieren. Durch die Kombination aus Datenanalyse und der Einbeziehung verschiedener Faktoren wie dem Fachkräftemangel, dem technologischen Fortschritt und den Trends im Arbeitsmarkt können mithilfe von Workforce Planning die Personalressourcen eines Unternehmens verwaltet und optimiert werden.
Klingt soweit ganz nachvollziehbar. Doch wir haben weiter oben schon gesehen, dass der bereits jetzt schon vorhandene Fachkräftemangel durch den demographischen Wandel auf dem Arbeitsmarkt weiter verstärkt werden wird. Die Versuchung ist groß, fatalistisch mit den Achseln zu zucken und die Personalplanung für 2035 unserem Ich aus dem Jahr 2030 zu überlassen. Um uns selbst in Zukunft das Leben leichter zu machen, sollten wir trotz aller Ungewissheiten diese strategische Herausforderung annehmen. Welche Jobs wird es bei Ihnen in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren geben? Und welche Aufgaben können zukünftig anderweitig erledigt werden? Das Internet of Things und die automatisierte Produktion sowie selbstfahrende Fahrzeuge und Lieferdrohnen geben erste Hinweise, an welchen Stellen zukünftig menschliche Arbeitskraft vor allem in der Planung und Steuerung, nicht aber in der Durchführung benötigt wird. Vielleicht wissen wir jetzt noch nicht, mit welcher Software in den 2030er Jahren gearbeitet werden wird - aber Sie können sich darauf verlassen, dass Ihre Mitarbeitenden beispielsweise in Produktion und Logistik zunehmend mehr Kompetenzen im Umgang mit Software und Robotik brauchen werden. Bislang werden die passenden Trainings von Spezialanbietern, meist den Herstellern der entsprechenden Produkte, angeboten. Im Sinne eines modernen, effizienten Lernens kann es sich aber beispielsweise für Ihr Unternehmen lohnen, bereits jetzt Mitarbeitende zu internen Trainer:innen auszubilden, die zukünftig ihre Kolleg:innen direkt am Arbeitsplatz schulen. Auf diese Weise bauen Sie wertvolles Know-How im Unternehmen auf und sparen auf lange Sicht Kosten für externe Lehrgänge. Zudem bieten Sie den bereits vorhandenen Mitarbeitenden eine sichere Perspektive und haben ein Argument, warum zukünftige Generationen ausgerechnet bei Ihnen arbeiten sollten - Fachkräftemangel wirkt sich vor allem dort aus, wo man selbst nicht schnell genug Kompetenzen aufbaut.
Vielleicht geht es Ihnen auch so: Mit Zukunftssorgen kann man leichter umgehen, wenn man bereits erste Schritte auf dem richtigen Weg einleitet. Schauen Sie sich ganz nach Lehrbuch Ihre Altersstruktur im Unternehmen an und überlegen Sie, in welchen Schlüsselbereichen Sie sich keinen Fachkräftemangel leisten können. Aus Sicht der Personalabteilung oder Geschäftsführung sollten Sie sich unbedingt mit den entsprechenden Fachbereichen zusammensetzen (wer es dynamisch mag, stellt eine Taskforce auf) und über die Jobs der Zukunft sprechen. Wenn Sie die nötigen Kompetenzen abgeleitet haben, gilt es im nächsten Schritt zu planen, wann Sie welche Mitarbeitenden ausbilden, weiterqualifizieren oder anwerben müssen. Hier hilft neben einer guten Personalbedarfsplanung natürlich auch eine starke Arbeitgebermarke, die Sie in den nächsten Jahren per Employer Branding aufbauen können. Damit es nicht bei gutgemeinten Ansätzen bleibt, überprüfen Sie anhand Ihrer personalstrategischen Ziele natürlich regelmäßig Ihre Fortschritte. Und falls Sie in Ihrem Unternehmen gerade alle zu sehr im Tagesgeschäft stecken, sollten Sie Ihrem 2030-Ich helfen und bereits Unterstützung an Bord holen. Wir als HR Agentur übernehmen entweder die liegengebliebenen Stapel aus dem Tagesgeschäft im Rahmen von HR as a Service oder helfen Ihnen beim Blick in die Glaskugel mittels HR Beratung.